Seit Jahren gibt es endlich wieder eine LKW-Rennsimulation. Für dich haben wir FIA European Truck Racing Championship von Bigben und n-Racing auf Herz und Nieren gecheckt.
Ich habe mich wie ein kleines Kind, welches gerade an der Wursttheke eine Lyoner in die Hand gedrückt bekommen hat, gefreut, als Bigben endlich eine neue Truck Racing Sim angekündigt hat. Schon seit Jahren misst man vergeblich Videospiele in jenem Rennspiel-Subgenre. Nun sollte es endlich soweit sein. Für dich durfte ich FIA European Truck Racing Championship ausgiebig testen. Dabei gibt es einige Ungereimtheiten aber auch einige positive Überraschungen.
Wer steckt eigentlich hinter n-Racing?
Es ist üblich, dass wir vor einem simCHECK nach den Vermarktern, welche ich in diesem Fall kenne, und nach den Entwicklern recherchieren. Da n-Racing für mich noch ein unbeschriebenes Blatt war – und noch immer ist – gehe ich mal kurz darauf ein.
Über n-Racing, welche vermeintlich hinter FIA European Truck Racing Championship stehen, gibt es im Netz keine Informationen. Man findet keine Informationen, geschweige denn vorher erschienene Spiele der Entwicklerfirma. Lediglich in einer Pressemitteilung, welche das ETRC angekündigt hat, wird erwähnt, dass n-Racing die Entwicklerfirma hinter der KT Engine ist. Die KT Engine werkelt zum Beispiel in der WRC-, V-Rally- und in der TT Isle of Man-Reihe von Kylotonn Games und ist extra für Rennspiele ausgelegt. Das spiegelt sich auch halbwegs in den Mitwirkenden wieder.
Laut den Credits (Auflistung der Mitwirkenden) kommen die meisten Inhalte aus dem Hause Kylotonn Games, wobei n-Racing dennoch als Entwickler angegeben wird. Während Kylotonn eine französische Entwicklerfirma aus Paris ist, haben die Entwickler von n-Racing Namen, welche größtenteils niederländisch klingen. An dieser Stelle gehe ich davon aus, dass n-Racing eine Tochtermarke von Kylotonn oder zumindest ein neues “Aufzieh-Entwicklerteam” von Bigben ist.
Wer nun wie tief in der Entwicklung beteiligt war, bleibt weiterhin offen. Für eine Marke, über welche man weder eine Webseite geschweige denn überhaupt irgendwelche Informationen findet, ist FIA European Truck Racing Championship trotzdem ein Spiel mit Potenzial.
Das steckt im Renner drin
Wie in jedem aktuellen Rennspiel hat auch FIA European Truck Racing Championship einen Karrieremodus. Auch dürfen die weiteren Standardmodis nicht fehlen. Vor uns haben wir einen “Schnelles Rennen”-Modus, allerdings können wir auch eine komplette Meisterschaft fahren. Online-Events fehlen natürlich auch nicht, wobei diese bis zum Zeitpunkt der Review nicht öffentlich zugänglich waren. Weiterhin können wir auch einfach an einem Zeitfahren teilnehmen. Zusätzlich haben wir einen Multiplayer und einen Showroom. Also steht da einiges zum testen vor uns. Zunächst gehen wir aber mal auf den Karriere-Modus ein.
Langatmiger Karriere-Modus mit dem schlimmsten Tutorial aller Zeiten
Alle kennen sie, wir alle hassen sie – viel zu lange Tutorials in Videospielen. Und in FIA European Truck Racing Championship wartet da ein ganz besonderes Exemplar auf uns.
Bevor wir uns im Karriere-Modus eine Rennserie auswählen können, muss man sich zunächst um eine Lizenz als Rennfahrer kümmern. Der Lizenzerwerb entpuppt sich schnell als Tutorial, in welchem wir lernen, wie man am besten einen solch tonnenschweren Truck bewegt. Dabei erlernen wir neben weiteren Einzelheiten, auch das richtige bremsen im Zusammenhang mit der Wasserkühlung. Zu dem einzigartigen Wasserkühlsystem kommen wir später noch einmal.
Das Tutorial ist aber das mit Abstand schlimmste, welche wir so jemals hatten. Wir lernen nicht nur das Anfahren, nein wir lernen sogar das Bremsen und Einlenken. Das zieht sich auf Sage und Schreibe 15 Disziplinen, wovon die meisten einfach eindeutig sind. Wer hätte gedacht, dass man auf einer Rennstrecke auch mal Gas geben oder seine Bremse betätigen muss? Für die kleinsten Fehler, wird nach einem Ladebildschirm erneut in die Disziplin geschickt. Dabei sind einige sogar noch negativ knifflig.
Für den “Lizenzerwerb”, wie das Tutorial so täuschend genannt wird, habe ich Sage und Schreibe über eine Stunde gebraucht! Das beste kommt aber noch. Das Tutorial kann man nicht überspringen.
Man muss sich in FIA European Truck Racing Championship tatsächlich durch das nervigste Tutorial aller Zeiten quälen. Und dabei sei angemerkt, dass ich nach den ersten Minuten bereits den Spaß verloren hatte. Sobald man sich durchgekämpft und somit die Lizenz zum Truck-Racer erworben hat, stehen uns zwei Meisterschaften zur Auswahl.
Sobald wir nun endlich fähig sind zu bremsen und Gas zu geben, können wir uns entweder in die offizielle europäische Meisterschaft einschreiben oder in die fiktive Weltmeisterschaft. Für den simCHECK habe ich mich hauptsächlich für die europäische Meisterschaft eingeschrieben, um welche es ja auch eigentlich geht. Positiv ist dabei, dass wir auch einfach an beiden Saisons gleichzeitig teilnehmen können. In den etwas langatmigen Karriere-Modus bringt das durchaus frischen Wind.
Tatsächlich ist der Karriere-Modus von ETRC durch seine ausführlichen – aber realistischen – Rennwochenenden sehr repetitiv. In der FIA European Truck Racing Championship gibt es ein zweitages System, in welchem wir pro Tag ein freies Training, zwei Qualifying und noch weitere zwei Rennen fahren. Das gleiche wiederholt sich am Folgetag. Wenn man das immer wieder auf der gleichen Rennstrecke wiederholen muss, ist das ganz schön langatmig, obwohl es den realistischen Rennwochenenden nachempfunden ist. Eine Option einer verkürzten Version des Wochenendes zu fahren, wie es sie zum Beispiel in der F1-Reihe von Codemasters möglich ist, hätte dem Spielerlebnis gut getan.
Fans der realen Serie werden sich damit aber sicherlich abfinden können, weil es eben echten Vorbild nachempfunden ist. Dem Casual Gamer, wie mir in diesem Fall, sind die Wochenenden etwas zu lang.
Zwischen den Rennen haben wir auch die Möglichkeit intensiv zu testen. In den Tests können wir unsere ultrastarken Boliden feinabstimmen. Dadurch dass die üblichen Rennwochenenden für meinen Geschmack zu lange sind, habe ich diese oftmals übersprungen, obwohl dieser eigentlich förderlich für unsere Karriere sind.
Weiterhin fehlen mir zum Beispiel Cutscenes oder anderweitige Möglichkeiten, welche auf das Drumherum noch etwas eingehen könnten. Im allgemeinen könnte man den Karriere-Modus ausschmücken. Ein einfaches Menü, in welchem wir das Fahrzeug überarbeiten oder die andere Daten zur Saison sehen, ist heutzutage nicht mehr zeitgemäß. Alternativ könnte man sich zum Beispiel im Motorhome bewegen oder sich in der eigenen Teambasis bewegen. Dabei könnte man sich an der WRC-Reihe aus dem selben Haus orientieren, in welchem man seine eigene Halle hat oder später, während stattfindenden Veranstaltung, sich in seinem Zelt bzw. Box aufhält. Ich bin mir aber sicher, dass man in eventuell kommenden Spielen der Reihe so etwas vorfinden könnte.
Insgesamt macht der Karriere-Modus einen Eindruck, welchen ich als OK betiteln würde. Für mich als Spieler, welcher gerade das Erlebnis Truck-Racing neu entdecken will, wirkt ein repetitiver Karriere-Modus eher abschreckend. Auf der anderen Seite muss man auch sagen, dass eben genau das für eingefleischte Fans vermutlich positiv erscheint. Nur sollte die Fanbase von virtuellen Truckrennen nicht allzu groß sein, weswegen man dahingehend Kompromisse eingehen sollte, um neue Spieler für sich gewinnen zu können.
Das Gameplay ist der der größte Pluspunkt
Das Gameplay ist ein Punkt, welcher dem bisher eher mittelmäßigen Rennspiel einen echten Pluspunkt verschafft. Mit dem Wasserkühlsystem der Bremsen, einer großen Auswahl an Trucks und einer guten KI, welche keine Fehler verzeiht, hat FIA ETRC einen Pluspunkt, welcher positiv zu Buche schlägt.
Was braucht man in einem tonnenschweren und 160 km/h-fahrenden Renn-LKW? Richtig! Verdammt gute Bremsen. In der offiziellen FIA European Truck Racing Championship kommen Bremsen mit einem manuellen Wasserkühlsystem zu Einsatz, welches auch Ingame nicht fehlen sollte. In der Formel 1 setzt man das sogenannte Drag Reduction System-System manuell ein, um mit verminderten Luftwiderstand für kurze Zeit besser überholen zu können. Bei LKW-Rennen setzt man eben ein manuelles Kühlsystem für Bremsen ein, damit die großen Scheibenbremsen in der richtigen Temperaturzone bleiben um sie möglichst funktionsfähig zu halten. So müssen wir nach fast jeder Kurve unsere Bremsen mit Wasser bespritzen, damit sie so funktionieren, wie sie funktionieren sollten. Zusätzlich müssen wir noch auf den Wassertank achten, um ein komplettes Rennen mit funktionierenden Bremsen zu managen. Man sollte dabei darauf achten, dass dieser nicht vor Rennende leer geht. Das kann nämlich sehr schnell passieren, wenn man zu viel Wasser nach einer Kurve verwenden. Weiterhin sollte man darauf achten, dass die Bremsen verständlicherweise nicht zu heiß werden, auf der anderen Seite sollte man sie nicht durch zu viel Wasser unterkühlen, wodurch sie ebenfalls schlechter werden.
Sollte jemanden dieses System stören, so kann man es auch einfach ausschalten. Allerdings bringt dieses System ein Spielelement, welches es so noch in keinem mir bekannten Spiel gab. Mich hat es in diesem Test nicht gestört.
Neben dem neuen Wasserkühlsystem warten allerdings noch weitere Schmankerl auf den Spieler. Wir haben eine immens große Zahl an Trucks und Fahrern, welche wir in- und außerhalb der Karriere pilotieren dürfen. Vertreten sind neben den bekannten Marken wie Mercedes, MAN oder Scania auch DAF-Kooperationspartner Tatra oder auch die amerikanische Marke MACK. Dabei dürfen wir in jeder Serie selbst entscheiden, ob wir lieber Hauber, welche eher zum untersteuern tendieren, oder Trucks ohne “Schnauze” pilotieren, welche wiederum mehr übersteuern.
Die Anzahl an offiziellen Fahrern und Trucks lässt sich wirklich blicken. Auch an Strecken fehlt es nicht. In FIA European Truck Racing Championship führt es uns zu Strecken, welche zwar real sind, aber eher weniger bekannt. Neben den legendären Rennstrecken wie dem Nürburgring in Deutschland oder dem Laguna Seca Raceway in Amerika, gibt es auch zahlreiche Strecken in Osteuropa, welche wohl nicht jedem ein Begriff sind.
Hinsichtlich der Lizenzen gibt auf jeden Fall keine Einsparungen. Gerade in einem Rennspiel dieser Art sollte es an Vielfalt diesbezüglich nicht fehlen.
Auch die KI-Gegner verleihen dem neuesten Truck-Racer einen guten Eindruck. Die KI ist auch in niedrigen Schwierigkeitsgraden bärenstark, aber nicht zu sehr, dass eine Einstellung des Schwierigkeitsgrades keinen Sinn mehr ergeben würde. Weiter verzeihen die Gegner auch keine Fehler. Wenn man sich dreht, rast sie an einem vorbei und zieht weiter. Manchmal kann das einen ganz schön fressen, was mir als Liebhaber von Rennspielen allerdings ultra viel Spaß gemacht hat. Da es keinen merklichen Gummiband-Effekt gibt und auch keine Rewind-Funktion, steckt in den einzelnen Rennen ganz schön viel Pepp.
Wie auch im realen Vorbild, sind Racetrucks ganz gerne mal neben der Strecken, rempeln sich gegenseitig an und fahren allgemein einen ziemlich heißen Reifen. So hat das KT Racing (Kylotonn Games), welche laut Credits die Künstliche Intelligenz entwickelt haben, auch Ingame umgesetzt. Oft sind die KI-Fahrer abseits der Strecke entweder durch Verbremser oder durch Rempler.
Allerdings stören bei solchen Aktionen oftmals die Ansagen aus der Box. Rammt man aus eigener Intention – egal ob absichtlich oder nicht – einen Gegner von der Strecke, so dass man eine Verwarnung der Rennleitung erhält, kriegt man zum Beispiel ein Lob aus der Box per Teamfunk, dass der Überholvorgang doch klasse war. Auch anderweitig ist der Teamfunk oftmals überfordert oder posaunt unpassende Sätze raus.
Das ist allerdings Meckern auf hohem Niveau. Denn das Gameplay ist einfach klasse. Rennen machen unglaublich viel Spaß. Besonders durch wegen der KI-Gegner, sind die Rennen sehr stark im Spielerlebnis. Im Zusammengang mit dem Management des Wasserkühlsystems sind die Rennen schön fordernd.
Im Rahmen meines simCHECKs hätte ich auch sehr gerne den Multiplayer getestet, allerdings habe ich keine Lobbys gefunden, und wenn ich eine selbst erstellt hatte, kam auch niemand dazu. Schade, da ich mir vorstellen hätte können, dass die Rennaction im Multiplayer noch weiter gegangen wäre.
Technisch rückständig
Technisch gesehen ist FIA European Truck Racing Championship in grafischen Belangen etwas rückständig. Zwar gibt es immer wieder schöne Momente, insgesamt ist die Grafik der KT Engine doch stark veraltet. 2D-Zuschauer sind einfach nicht mehr aktuell. Auch ansonsten ist das gesamte Spiel teils etwas hell gehalten, wodurch Farben nicht mehr allzu kräftig erscheinen. Es fehlt definitiv an Sättigung.
Sobald es dunkel, durch zum Beispiel Regen, wird, kommen ein paar ganz nette Momente zur Geltung. Trucks sehen im dunkeln bei Regen und bläulichen Lichtern einfach Badass aus. Auch ansonsten sehen anderweitige Effekte nach den jeweiligen Wetterbegebenheiten ganz OK bis gut aus.
Nervig ist es allerdings, wenn es bei einer Grafik, welche ich im unteren Mittelmaß einstufen würde, auch noch anfängt zu ruckeln. Besonders stark merkt man das zum Beispiel in Rennwiederholungen. Während der Rennen fällt das widerum nicht besonders auf, da dass Spiel – zumindest auf der Konsole – bei 1920 zu 1080 Pixeln bei 30 FPS abgeriegelt ist.
Bei der Umsetzung der Engine fehlt es auf jeden Fall an Performance-Verbesserungen. Ganz anders sieht es dabei bei den Motorensounds aus. Diese sind mächtig, wie es sich für einen Truck gehört. Es wird Zeit, ein Resümee zu ziehen.
Ein mittelmäßiges Spiel mit Potenzial – das Fazit
Wie ich es eingangs erwähnt habe, habe ich mich wie ein kleines Kind gefreut, dass es endlich wieder eine echte Truck Racing-Simulation geben sollte. Raus gehe ich allerdings eher mit gemischten Gefühlen.
Die Schwächen von FIA European Truck Racing Championship überwiegen für mich leider. Zwar macht das Gameplay einen fast perfekten Eindruck, dafür fehlt es Inhalten, der Karriere-Modus zieht sich, weswegen ich ihn auch nicht lange gespielt habe, und technisch gesehen, ist das Spiel auch nicht auf der Höhe der Zeit.
Wer auch immer nun hauptsächlich hinter ETRC steht, sollte für einen eventuell folgenden Titel beherzigen, dass es einiges mehr an Optionen für Rennwochenenden geben sollte. Zudem fehlt es einfach an Inhalt innerhalb des Karriere-Moduses. Darüber hinaus sollte man die Engine noch einmal grundlegend überarbeiten. Bei den Bildern und Videos zu WRC 8 von Kylotonn Games, welche ja zumindest mitbeteiligt waren, kann man sehen, was die Engine eigentlich könnte.
Trotzdem erwähne ich noch einmal das außerordentliche Gameplay im Zusammenhang mit der Steuerung des Spiels. Dadurch das es so fordernd ist, macht es unglaublich viel Spaß zumindest einzelne Rennen zu fahren.
Mit dem offiziellen Spiel zur FIA European Truck Racing Championship hat man zwar eine solide Grundlage, hat darauf allerdings nicht aufgebaut. Sollte es jemals noch einen Nachfolger geben, erhoffe ich mir diesbezüglich mehr von den oben bereits genannten Inhalten und Verbesserungen.
Ach und ja… lasst dieses schreckliche Tutorial raus.